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18/04/2018

Das Darknet

Wenn wir das zulassen, können wir auch gleich die Polizei abschaffen und die Demokratie aufgeben. Denn was bliebe, wären Anarchie und Selbstjustiz.

 

 

Das Darknet ist wie die Dunkle Materie der Astrophysik. Es ist unbekannt, unbegrenzt, unbegreifbar. Denkt man zumindest. Doch ganz so undurchdringlich ist es nicht. Im Grunde ist es wie das Internet, das uns bekannt ist – sofern man es „bekannt“ nennen kann. Aber wir kennen ja auch die sichtbare Materie des Weltalls kaum.

Zum Einstieg ein paar Fakten zum Darknet: 2002 ist es vom US-Militär gegründet worden, um eine separate Kommunikationsebene für ausgewählte Militärs (Spione, Spezialeinheiten etc.) zu schaffen. Erreichbar ist diese Ebene durch den Tor-Browser (vergleichbar mit Explorer, Firefox und Chrome – nur eben um eine abgeschirmte Ebene zu erreichen). Bis dahin ist das Darknet nur ein gut verschlüsseltes Netzwerk für Soldaten gewesen. Denn neben dem exklusiven Zugang durch Tor ist die zwiebelschichtige Mehrfachverschlüsselung der große Unterschied zum bekannten Internet. So offen und frei das eine ist, so anonym und geschützt das andere. Wie also ist aus einem militärischen Kommunikationsmittel ein Darknet mit illegalen Handlungen entstanden? Das US-Militär hat den Tor-Browser 2004 veröffentlicht. Und warum? Weil die Masse an sich immer noch den besten Schutz bietet. Haben Sie schon einmal eine bestimmte Stecknadel in einem Haufen von Stecknadeln gesucht – und gefunden? Wenn also nur Militärs über den Tor-Browser ins Darknet kommen, sind sie als solche für Hacker, Doppelagenten etc. beim kleinsten Leck (z.B. WikiLeaks) leicht zu enttarnen. Wenn sich aber im Darknet – unter all den Schichten der Verschlüsselung – zusätzlich alle möglichen Menschen (Militärs, Kriminelle und Otto-Normalverbraucher) tummeln, wird es schwer einen einzelnen ausfindig zu machen. An sich ein logischer Gedanke des US-Militärs, nur nicht unbedingt weitsichtig. Denn durch die Freigabe des Tor-Browsers haben sie Tür und Tor für einen rechtsfreien Raum geschaffen. Denn jetzt weiß niemand mehr, ob sich unter dieser zwiebelschichtigen Mehrfachverschlüsselung ein Doppelagent, ein Verbrecher oder eben nur Max Mustermann verbirgt. So verdiente sich das Darknet erst seinen Namen. Denn man muss kein Genie sein, um zu erkennen, dass Kriminelle, in ihrem ewigen Bemühen einen Schritt voraus zu sein, dieses Deckmäntelchen nutzen.

Nehmen wir an, Sie laden sich den Tor-Browser herunter. Damit können Sie nach wie vor wie gewohnt zum Beispiel meine Website www.ptpbyace.com besuchen. Aber Sie haben jetzt auch Zugriff auf Seiten mit der Endung „.onion“, über die Sie Kinderpornographie, Drogen, Auftragsmorde und ähnliches beziehen können. Es weiß ja keiner, wer Sie sind und was Sie tun und wer Ihr Gegenüber ist. Auch Sie wissen das nicht. Aber Sie bekommen die gewünschten Produkte und Dienstleistungen. Bezahlt wird übrigens ausschließlich in Bitcoins. So utopisch es klingen mag, es steht jedem frei, es auszuprobieren. Aber bedenken Sie, den Tor-Browser laden Sie über das normale Internet herunter…

Diese Einleitung hat jetzt etwas länger gedauert. Ich hoffe, Sie folgen mir dennoch weiterhin, denn dieses – vermutlich rudimentäre – Wissen über das Darknet hat mich zu einigen Überlegungen angeregt und Fragen aufgeworfen. Zuerst einmal: können wir, als Gesellschaft, einen rechtsfreien Raum gutheißen? Würden wir einen analogen rechtsfreien Raum und Selbstjustiz akzeptieren? Nein! Warum also digital? Nehmen wir es zum Schutz der Privatsphäre in Kauf?

Die Privatsphäre und das Internet – ein heikles Thema und vermutlich einen eigenen Text wert. Dennoch will ich es hier nicht außer Acht lassen. Ich bin sehr für den Schutz der Privatsphäre und halte gar nichts von Datenspeicherung – weder durch Politik noch Privatunternehmen. Deswegen habe ich für mich das Internet auf folgendes Bild heruntergebrochen. Ich laufe ja auch nicht nackt durch die Innenstadt und beschwere mich dann, dass jeder meinen Intimbereich sehen konnte – und die Touristen ihn auch noch auf Band haben. Viele Menschen vergessen vor ihren Heimcomputern und externen Gehirnen (Smartphones), dass das Internet ein öffentlicher Raum ist. Und es liegt an der jeweiligen Eigenverantwortung, zu entscheiden, was und wie viel man von sich preisgibt. Das Darknet mag uns vielleicht mehr Privatsphäre bieten, aber zeitgleich wird es zu etwas Unüberschaubaren. Etwas Uferlosem; wie ein Tsunami, der ganze Gesellschaften mit sich in den Abgrund reißt. Wissen wir, was allein die US-Army dort so treibt? Nein, aber wir können ihr ihre Machenschaften durch den Rückzug aus dem Darknet, den Verlust der Masse und der daraus resultierenden Alleinstellung beträchtlich erschweren. Von den anderen Kriminellen ganz zu schweigen. Anstatt Energie und Geld in den Ausbau dieser Subkultur (!) zu stecken, sollten wir Politik und Wirtschaft klare Grenzen setzen und sowohl analoge als auch digitale Privatsphäre einfordern. Sonst wird das Darknet wachsen und mit ihm der rechtsfreie Raum. Wenn wir das zulassen, können wir auch gleich die Polizei abschaffen und die Demokratie aufgeben. Denn was bliebe, wären Anarchie und Selbstjustiz.

Zum Schutz der Privatsphäre gibt es analoge Alternativen, wie Bargeld, Geschäfte und Mitmenschen. Womöglich ist analog nicht so bequem wie digital, aber dafür umso wertvoller.

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